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"Die Tournee ist für mich einfach ein Mysterium"

14.07.2017 · 10:54

DSV-Adler Richard Freitag spricht im Interview über den anstehenden Sommer Grand-Prix, seine Ziele für die neue Saison und sein schönstes Tournee-Erlebnis.



Vierschanzentournee: Richard, wie war der Sommerurlaub?  

Richard Freitag: Einen längeren Urlaub habe ich noch nicht gemacht, ich war zuhause beziehungsweise an Wochenenden unterwegs und habe so versucht zu entspannen und mich zu erholen. Anfang Mai ging es dann ja schon wieder los mit ersten medizinischen Untersuchungen und Athletiklehrgängen. Seit Mitte/ Ende Mai sind wir wieder auf der Schanze und haben uns zuletzt in Stams, Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen für den Sommer Grand-Prix vorbereitet. 

Gar keine Zeit für Hobbies in der skisprungfreien Zeit?

Ich war viel mit Freunden unterwegs. Mal einfach zusammen entspannen, mal auf dem Rad oder zum Wandern. Da kann man gut abschalten. Vielleicht ergibt sich im Sommer ja noch die ein oder andere Motorradtour.

Gibt es Parallelen zwischen Motorradfahren und Skispringen? 

Motorradfahren ist für mich mehr Entspannung, aber du musst dich konzentrieren. Es ist ähnlich wie beim Skispringen, du musst fokussiert sein und darfst auf dem Bike nicht träumen. Es gibt jedoch nichts Schöneres als Fahrtwind um die Ohren. 

Wo ist der Adrenalinkick größer? Motorradtour durchs Erzgebirge oder Bergiselspringen, zweiter Durchgang auf dem Balken.

Dann doch am Startbalken (lacht).

Ihr wart bereits in Oberstdorf, Garmisch, Bischofshofen und in Innsbruck – Ist das normale Saisonvorbereitung oder holt ihr euch da insgeheim schon jetzt den Feinschliff für die Tournee?

Wir trainieren eigentlich jedes Jahr auf den Tourneeschanzen, von da her ist das ein Standardprogramm. Wir machen im Herbst meist nochmal ein Paar Sprünge auf der Eisspur in Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf, wo wir uns unmittelbar auf die Wintersaison vorbereiten.

Sven Hannawald war in Innsbruck auch vor Ort. Holt man sich da nochmal Tipps vom ehemaligen Vierschanzentournee-Sieger?

Eigentlich weniger, in Hinblick auf seine anstehende Kommentatorensaison möchte Sven natürlich informiert sein und daher stellt eigentlicher eher er uns die Fragen, als wir ihm. (lacht) Ich finde es gut, dass er sich persönlich informiert. Sven war an der Schanze und hat sich die Infos geholt, die er braucht. Wir haben trainiert und anschließend kurz geplaudert.

Was sind die größten Unterschiede zwischen den Sprüngen im Sommer auf der Matte und im Winter auf Schnee – mal abgesehen vom Untergrund? 

Große Unterschiede im Sprung gibt es nicht. Da im Sommertraining die Spur keine Eis- sondern eine Keramikoberfläche hat, wird der Ski im Gegensatz zum Winter nicht abgezogen, d.h. das Wachs bleibt auf der Belagfläche. 


Bist du eher der Sommer- oder Wintertyp, wenn es ums Springen geht?

Auf jeden Fall Winter, jetzt ist es mir viel zu warm.

In wenigen Tagen beginnt der Sommer Grand Prix schon mit dem Auftakt in Wisla (Polen). Wird man dich beim Sommer Grand Prix bei allen Wettbewerben sehen?

In Wisla bin ich auf jeden Fall dabei, die restlichen Beschickungen werden sich im Laufe der Sommersaison ergeben. Hier haben die Trainer den größten Einfluss und beschicken nach Leistungsstand, -entwicklung und natürlich auch der Trainingsplanung. 


Geht es dir beim Sommer-Grand-Prix um Resultate, oder siehst du das in erster Linie als Training für den Winter?

Ja, ich sehe es als Training mit Wettkampfcharakter. Es ist dient vor allem der Orientierung hinsichtlich des Weltcups. Die Wettbewerbe zeigen unmittelbar, an welchen Stellen du noch arbeiten kannst und musst. 

Was sagst du zu den Regeländerungen, die während des Sommer Grand Prix getestet werden. Vor allem zu dem Novum im Qualimodus, dass alle Springer den Ausscheidungsdurchgang absolvieren müssen? 

Ich kann diese Überlegung nachvollziehen, der Qualidurchgang wird aufgewertet und aufgrund der Teilnahmebedingungen gleiches Reglement für alle angestrebt. Der Sommer GP bietet für alle eine gute Gelegenheit, diese Änderungen zu testen. 

Blicken wir noch einmal auf die abgelaufenen Saison zurück. Mit dem Team habt  ihr doch einige Podestplatzierungen geschafft. Für dich persönlich standen am Ende ein dritter Platz in Zakopane und einige Top Ten-Platzierungen und Platz 13 im Gesamtweltcup zu Buche. Zufrieden? 

Eher nein. Ich hatte mir schon mehr erhofft. Ich habe schon ein bisschen mit der WM geliebäugelt, weil mir Lahti eigentlich liegt. Klar wäre ich gerne besser gesprungen, aber es ist mir leider nicht gelungen. Es gibt da ein Sprichwort: Das Springen und das Singen, das kannst du nicht erzwingen. Singen werde ich nie lernen, ich hoffe das Springen krieg ich wieder besser hin (lacht). Unter den Top 13 der Welt zu sein, ist im Gesamten betrachtet sehr ok, aber ich möchte wieder häufiger ganz vorne mitmischen. Der Podestplatz in Zakopane war wichtig und gibt Selbstvertrauen für die kommende Saison. 

Du hast einmal gesagt, dass du den Sport und dein Leben jetzt „ruhiger angehen“ möchtest. Ist das gelungen? Warst du früher zu ehrgeizig?

Ja, ich glaube, es ist mir schon gelungen, ich sehe es nicht mehr ganz so extrem ehrgeizig. Aber das alleine garantiert auch noch keine besseren Resultate. Ich glaube, es braucht eine gute Balance zwischen starkem Ehrgeiz und entspanntem gut gesteuertem Üben und Wettkämpfen.

Vierschanzentournee, Skiflug-WM in Oberstdorf und Olympische Spiele in Pyeongchang – Es steht eine aufregende Saison vor der Tür. Wie sehen da die Prioritäten aus? 

Gute Frage, wie setzt man da die Prioritäten. Tatsächlich gilt es, dies ein wenig zu sortieren und neben den großen Zielen die wichtigen „kleinen“ Schritte nicht außer Acht zu lassen. Vorrangig möchte ich im Weltcup wieder um Topplatzierungen mitkämpfen und ein gutes Gesamtpaket schnüren. Nichtsdestotrotz sind die anstehenden Großereignisse natürlich treibende Kraft. Ein weiteres Ziel ist es, meine persönliche Bestweite weiter hochzuschrauben, natürlich am besten bei der Skiflug-WM in Oberstdorf. 

Und für die Tournee?

66. Vierschanzentournee, das ist ja eine Schnapszahl, das könnte mir auf meiner Autogrammkarte schon gefallen (lacht). Ich habe verschiedene Herangehensweisen ausprobiert, die Ziele ganz hoch ansetzen; einfach reinstarten und ohne Druck in die Tournee gehen... Bis jetzt ohne Erfolg. Hier werde ich mir dieses Jahr noch etwas Zeit geben und dann ein Konzept zurechtlegen.

Was macht die Tournee so besonders?

Zum einen ist sie medial groß aufgezogen. Zum anderen ist es physisch und psychisch eine tolle Herausforderung für alle Springer. Innerhalb kürzester Zeit vier Wettkämpfe auf vier verschiedenen Schanzen und dies mit einem einzigartigem Duellsystem. Die Tournee ist für mich einfach ein Mysterium. (lacht) – Manche machen Top-Sprünge am laufenden Band –- Andere müssen schwer beißen, manchmal gibt es Überraschungsereignisse. 

Was war dein schönstes Erlebnis bei diesem Mysterium? 

Der Sieg in Innsbruck 2015, definitiv! Es waren gute Freunde aus meiner Heimat vor Ort, die haben dann die Flagge des Erzgebirges hochgehalten und abgefeiert, das war wirklich einzigartig und ein schöner Moment. Einfach genial!

Dementsprechend ist die Schanze in Innsbruck deine Lieblingsschanze?

Wir waren gerade in Innsbruck und das lief nicht so gut (lacht). Die größte Herausforderung sehe ich  ehrlich gesagt jedes Jahr in Bischofshofen – keine Ahnung warum – dort springe ich meist gut, wahrscheinlich ist es daher auch meine Lieblingsschanze. 

Du hast einen Wunsch frei. Welchen Titel nimmst du mit? Tournee, WM oder Olympische Spiele?

Alle (lacht). 

Wie erklärst du dir die Leistungsexplosion deines Teamkollegen Andreas Wellinger, der in der letzten Saison mit einigen Podestplätzen und Rang vier im Gesamtweltcup so richtig aufzeigen konnte? 

Er hat im Sommer und im Herbst sehr gut gearbeitet. Das war die Grundlage. Und dann braucht es für so eine Explosion ein Aha-Erlebnis. Das kann ein  Trainingssprung oder ein Wettkampf sein. Du musst im Training eine Idee haben, die im Wettkampf dann funktioniert. Der Knoten muss platzen – quasi. Wenn das passiert, kommst du auf eine Welle, die dich treibt. Das war bei Andreas denke ich der Fall. Was sich dann entwickelt hat, war wirklich genial.

Noriaki Kasai ist ein absoluter Fanliebling in der Skisprungszene und springt mit 45 Jahren immer noch wie ein Junger. Wie ist dein Verhältnis zu ihm?

Leider ist die Kommunikation nicht gerade leicht, mein Japanisch ist nicht das Beste... Wir kommunizieren bröckchenweise auf Englisch und mit Händen und Füßen, irgendwie versteht man sich dann doch. Nori ist schon wirklich lange dabei und zeigt immer wieder top Leistungen. Seine Erfahrungen... das wird ein dickes Buch denke ich, hoffe ich. (lacht) Er ist wirklich ein toller Kerl.

Fällt dir spontan eine Anekdote zu ihm ein?

Die Abschiedsparty von Thomas Morgenstern in Bischofshofen. Als ich die Runde machte um alle zu begrüßen saß Nori an der Bar und schwenkte sein Rotweinglas Gentlemanlike zwischen 2 Fingern...ganz ruhig: ‚hey Richie’ und ein kurzes Kopfnicken, gefolgt von einem breiten Grinsen. Herrlich. Später ging er mit allen auf die Tanzfläche und es wurde Gangnam-Style getanzt.
Eine tolle Erinnerung, die mir auf ewig behalten bleiben wird.  

Danke für das Gespräch, Richard!

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